Integration führt zu Konflikten?

Das Integrationsparadox nach Aladin El-Mafaalani

Aladin El-Mafaalani beschreibt in seinem Buch „Das Integrationsparadox“, warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt.

Diese These hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich habe Integration bisher als etwas gesehen, das Harmonie in eine Gesellschaft bringt und zu einem guten Miteinander beiträgt. Im Folgenden möchte ich einen (zum Verständnis verkürzten und vereinfachten) Einblick geben in einen Aspekt, der in dem Buch ausführlich dargestellt wird.

Zwei Begriffe, die für das Verständnis dieses Paradoxes wichtig sind, sind die offene Gesellschaft und die geschlossene Gesellschaft.

Geschlossene Gesellschaften sind geprägt von festen Strukturen und Machtverhältnissen. Diese beruhen meist darauf, dass bestimmte Gruppen von Menschen (zum Beispiel Frauen, Migrant*innen, queere Personen …) unterdrückt und diskriminiert werden. Diese Diskriminierung soll für den Erhalt der Macht und der gesellschaftlichen, staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen sorgen. Im Gegensatz dazu stehen offene Gesellschaften. Diese zeichnen sich durch eine große Diversität (Verschiedenheit), Komplexität (Vielschichtigkeit) und das Ermöglichen von mehr Teilhabe aus. Oft werden sie aber auch als schnelllebig, orientierungslos und unsicher beschrieben. Der soziale Wandel ist in offenen Gesellschaften beschleunigt.

Bei einer offenen Gesellschaft finden sich also ganz verschiedene Interessen, Meinungen, Weltanschauungen, Werte und Normen, von denen die meisten in der Gesellschaft präsent sind. Weil die unterschiedlichen Gruppen nach jahrzehntelangen Prozessen mehr Teilhabe in der Gesellschaft haben, finden auch ihre Meinungen und Interessen etc. mehr Gehör als zuvor. Kurz gesagt prallen verschiedenste Meinungen und Interessen aufeinander, und da alle mehr oder (eher2) weniger gleichberechtigt sind, entfachen viele Konflikte. Aus Konflikten kann Austausch, Kooperation oder Streit entstehen. Somit schreibt El-Mafaalani Konflikten auch eine positive Bedeutung zu, genauer gesagt beschreibt er Konflikte als den „Kitt“ der offenen Gesellschaft. Die Hauptaufgabe einer offenen Gesellschaft sollte seiner Meinung nach sein, eine angemessene und zukunftsgerichtete Streitkultur zu entwickeln, dass lösbare Konflikte konstruktiv gelöst werden und unlösbare Konflikte nicht unkontrolliert vor sich hin schwelen.

Ein wichtiger Punkt ist auch, dass offene Gesellschaften an sich ein andauernder Prozess sind und das Aufkommen von Konflikten kein Ende hat – es gibt weiterhin benachteiligte Gruppen (zur Zeit z.B. behinderte Menschen und Menschen mit Behinderungen), die am Anfang des Integrationsprozesses stehen.

Die Umschreibung „Ungleichzeitigkeit von Entwicklungen und Gleichzeitigkeit von Vielfalt“ (S. 170) trifft meiner Meinung nach das Bild einer offenen Gesellschaft recht gut.

Es werden im Lesefluss viele Fragen aufgeworfen. Eine davon ist, ob die offene Gesellschaft der geschlossenen vorgezogen werden soll. Diese Frage muss jede*r für sich selbst beantworten, ich zum Beispiel finde die offene Gesellschaft trotz der Unsicherheit und des Chaos weitaus besser als die geschlossene Gesellschaft. Eine weitere Aussage war, dass die offene Gesellschaft Grenzen haben muss, denn anders funktioniert sie nicht. Daraus ergibt sich die Frage, wo diese Grenzen liegen.

Ich finde es spannend, mich mit diesen und weiteren Fragen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig überrascht mich, wie wenig ich bisher über Migration und die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Aspekte wusste. Natürlich bekomme ich über die Nachrichten Bruchteile mit, aber die Prägung der Gesellschaft durch/mit Migration fehlte mir bis jetzt fast komplett. Ebenso die Zusammenhänge zwischen Migration und Schule, worüber ich im zweiten Buch gelesen habe. Häufig sind die Informationen über Migration auch verbunden mit Flucht und den unaushaltbaren Zuständen in den sogenannten Flüchtlingslagern oder -camps.

Dabei ist Migration ein Thema, das uns meiner Meinung nach alle betrifft. Spätestens mit den durch die Klimakrise bedingten Migrationen müssen sich alle mit offenen Gesellschaften und Migration auseinandersetzen.

Levke

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